⌊ COOPERATIVE PRAXIS


Cooperative Praxis


Cooperative Praxis ist "Mediation ohne Mediator", ein Verfahren, das auf Idee und Technik der Mediation basiert und gleichzeitig den Konfliktlösungsprozess noch effizienter auszugestalten versucht. Cooperative Praxis ist als Verfahrensansatz jünger als Mediation, weist, kommend aus den USA als "Collaborative Law", aber ebenfalls eine  Entwicklungsgeschichte seit Anfang der 1990er Jahre auf und fasst auch in Europa Fuß.

Bei klassischer Mediation führt das Gebot der Neutralität des Mediators, das Gebot dessen Allparteilichkeit, dazu, dass dieser seine etwa als Rechtsanwalt vorhandene Fachkompetenz kaum zur Lösungsfindung einbringen kann und darf. Der Mediator ist nicht Fachberater der Parteien, insbesondere nicht einer Partei, auch dann nicht, wenn einer Partei Fachinformationen fehlen. Das klassische Mediationsverfahren bedarf an solcher Stelle der Unterbrechung, damit die Partei anwaltlichen Rat hinzuziehen kann. Damit ist Aufwand und Zeitverlust verbunden. Das Gebot der Neutralität des Mediators, seiner Allparteilichkeit, vermag darüber hinaus dazu zu führen, dass sich der Mediator bei der Verfahrensführung noch stärker als geboten zurückhält, nur schon um jeden Anschein einer Parteinahme für eine Konfliktpartei zu vermeiden. Zumal in der Dynamik der Konfliktsituation stets liegt, dass jede Streitpartei den Mediator für sich einzunehmen zu versuchen und umgekehrt verdeckter Sympathie für die andere Partei verdächtigen mag.

Cooperative Praxis begegnet dem dadurch, dass das Verfahren nicht von einem Mediator oder mehreren neutralen Mediatoren geführt wird, sondern jede Partei von einem Anwalt begleitet wird, der zugleich mit dem Instrumentarium der Mediation vertraut und darauf verpflichtet ist, und das Verfahren, zusammen mit dem Anwalt der anderen Partei in mediativer Struktur zu führen vermag und führt. Über diese Struktur wird einerseits die Drittperson des Mediators im Verfahren verzichtbar und steht andererseits jeder Konfliktpartei sofort ein fachkompetenter Anwalt mit zur Seite.

Folgende Prinzipien liegen der Cooperativen Praxis üblicherweise zu Grunde:

1. Die Parteien verpflichten sich, die streitrelevanten Fakten und Informationen wechselseitig offen zu legen und vereinbaren gleichzeitig        die inhaltliche Reichweite dieser Pflicht. Die Parteien verpflichten sich des Weiteren, im Fall des Scheiterns des Prozesses der                              Cooperativen Praxis von den erhaltenen Informationen vor Gericht keinen Gebrauch zu machen; 
2. Die Parteien verpflichten sich wechselseitig, während des Prozesses der Cooperativen Praxis auf Klagedrohungen zu verzichten; 
3. Die Parteien verpflichten sich wechselseitig, Schiedsgutachten anzuerkennen und auf Parteigutachten zu verzichten; 
4. Im Falle der Verletzung gemeinsam vereinbarter Regeln ist der Prozess der Cooperativen Praxis beendet. Die Bindung an die gemeinsam      aufgestellten Verfahrensregeln ist unbedingt; 
5. Die beteiligten Anwälte und Berater verpflichten sich wechselseitig und gegenüber den Parteien, für eine Vertretung der Sache vor
     Gericht bei Scheitern der Cooperativen Praxis nicht zur Verfügung zu stehen;

Der Prozess der Cooperativen Praxis besteht im Kern aus Vierergesprächen, das heißt Beteiligung jeweils der Parteien nebst ihres Anwalts an allen wesentlichen Gesprächen. Das kürzt Kommunikationswege ab und nimmt den Parteien die Möglichkeit, sich hinter ihren Anwälten zu verschanzen, und umgekehrt den Anwälten die Möglichkeit, direkte Kommunikation zwischen den Parteien zu verschütten. Kommunikationshürden und Kommunikationsstörungen infolge Emotionen oder Eskalation werden mit klassischem mediativen Instrumentarium bearbeitet und beseitigt. Die Vierergespräche gliedern sich typischerweise in ähnliche Abschnitte wie klassische Mediation:

1. Vereinbarung des formellen Verfahrensablaufs: Arbeitsbündnis;
2. Bestimmung und Sammlung der erheblichen Informationen; 
3. Bestimmung und Abstimmung der wechselseitigen Interessen, Bedürfnisse und Werte; 
4. der eigentliche Prozess des Verhandelns, erforderlichenfalls unter Hinzuziehung weiterer Experten für ausgrenzbare Teilaspekte oder
     Teilfragen in Sondergebieten (Finanzen, Technische Fragen, Psychologie, Coaching usw.);
5. Vereinbarung und Umsetzung der Lösung.

Auch die aus dem Verfahren Cooperativer Praxis resultierende Vereinbarung kann in Form einer Notarurkunde niedergelegt und damit, gleich einem Gerichtsurteil, vollstreckbar ausgestaltet werden. In der Praxis kommen Vollstreckungen aus solchen Vereinbarungen fast nicht vor. Eine Notwendigkeit solchen Zwangs vermag praktisch nur dann aufzutreten, wenn der Konfliktlösungsprozess unvollständig geblieben ist. Das sollte bei gut geführter Cooperativer Praxis generell nicht der Fall sein.


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